QUELLE: Hans H. Ruthenberg-Graduierten-Förderpreis 1999
Florian Conrad Stinzing "Partialanalyse und Analytik von Betaxanthinen und Untersuchungen zum Vorkommen von Betalainen in Früchten von Opuntia ficus-indica ", Universität Hohenheim, 1999


Resümee
Problemstellung
Die unzureichende Versorgung vieler Länder mit Lebensmitteln ist auf deren schlechte öko-geographische Situation zurückzuführen. Hohe Temperaturen im Tagesmittel, gekoppelt mit geringen Niederschlagsmengen und unfruchtbare, teils stark salzhaltige Böden schränken eine landwirtschaftliche Nutzung erheblich ein. Die Folgen daraus sind niedrige Hektarerträge, die ihrerseits zu einer Unterversorgung der Bevölkerung führen. Durch die Bewirtschaftung bislang ungenutzter Flächen mit Pflanzen, die trotz der widrigen klimatischen und edaphischen Bedingungen, gedeihen, kann es zu einer dauerhaften Verbesserung der Ernährungssituation und damit der sozioökonomischen Rahmenbedingungen kommen. Solche Pflanzen müssen sich durch eine ausgeprägte Wassereffizienz, eine hohe Netto-Photosyntheserate und geringe Ansprüche an Nährstoffe des Bodens auszeichnen. Diese Pflanzen, die vegetativen Teile und die Früchte, wie auch daraus gewonnene Produkte können über die Eigenversorgung hinaus vermarktet werden ("cash crop"). Erhebliche Nachfrage besteht derzeit nach tropischen Früchten für deren Nutzung im Bereich funktioneller Lebensmittel. Die Suche nach besonderen nutritiven Komponenten, die Substitution von Zusatzstoffen, wie beispielsweise künstlicher Farben durch natürliche Pendants, kennzeichnen die zukünftige Entwicklung in der Nahrungsmittelproduktion.

Zielsetzung
Erfüllt eine Pflanze die Kriterien für deren Kultivierung in ariden und semiariden Klimate, so muss deren Anbau gezielt vorangetrieben werden. Für die Abschätzung des Marktpotentials gilt es, Nutzungsmöglichkeiten der Rohware aufzuzeigen. Hierfür sind intensive Arbeiten im Bereich der Analytik neben ökonomischen Überlegungen anzustellen. Erforderliche Technologien für Anbau, Ernte und Verarbeitung müssen in einer nächsten Phase entwickelt werden. Überdies sind in die Projektierung Strategien für Transport und Vermarktung miteinzubeziehen.

Methodisches Vorgehen
Cactaceae sind als CAM-Pflanzen für ein solches Projekt geeignet. Da sie auf unfruchtbaren, trockenen Böden gedeihen, erlauben sie dem Anbauer einen hohen Grad an Diversifikation. Kakteen sind durch eine hohe Wassereffizienz gekennzeichnet, ausgedrückt als Quotient der C02-Aufnahme zum Wasserverlust durch Verdunstung. Im Falle von Opuntia liegt dieser Parameter bei 4-10 mmol CO2 pro mol H2O, gegenüber 2-3 bei C4 und 1,0-1,5 bei C3-Pflanzen. Die CAM-Pflanzen zugesprochene niedrigere Produktivität gegenüber C3- und C4 - Pflanzen trifft auf Opuntia nicht zu. Mindestens 45 Tonnen Trockensubstanz werden pro Hektar und Jahr geliefert. Die Bedeutung der Früchte streicht das FAO Paper 132 von 1995 heraus, das neben dem Wissensstand in der Ökologie, die Kultivierung und Nutzung der sog. "prickly pear", der Kaktusfeige, aufzeigt. Dort wird die hohe genetische Variabilität als Grund für den hohen Adaptionsgrad der Kaktusfeige angeführt: von den Wüsten Kaliforniens unter dem Meeresspiegel bis zum Hochgebirge von Peru mit 4700 m, von tropischen Regionen in Mexiko bis zu Regionen Kanadas mit extremen Temperaturen von -40 oC. Seit 1992 hat die FAO deshalb eine Initiative gestartet, die den weltweiten Anbau der Kaktusfeige durch die Gestaltung eines Netzwerks zwischen Erzeugerländern untereinander und zu den Abnehmerstaaten fördern soll.
In der vorliegenden Arbeit wurden drei Kultivare von Opuntia ficus-indica (L.) Mill. im Hinblick auf deren Inhaltsstoffe untersucht. Eine systematische Zuordnung aus botanischer Sicht, wurde besonderes Augenmerk geschenkt. Bisherige Arbeiten lassen dies weitgehend vermissen, deren Ergebnisse lassen sich dadurch nur bedingt verwerten. Kaktusfrüchte zeichnen sich durch eine ansprechende Färbung aus. Die Vielfalt der Pigmente und deren Zusammenspiel ist bislang wenig untersucht und ungenutzt geblieben. Weiterhin müssen technologische Aspekte im Vordergrund stehen, die die Verarbeitung, wie beispielsweise die Schälung, erleichtern bzw. verbessern. Die Qualitätserhaltung der Früchte muss oberstes Ziel solcher Untersuchungen sein.

Ergebnisse
Die Arbeit zeigt auf, dass neben hohen Gehalten an Zuckern, insbesondere an der rasch metabolisierbaren Glucose als ausgezeichneter Energieträger, auch Aminosäuren in erheblichen Mengen in Opuntia vorkommen. Diese sind aus ernährungsphysiologischer Sicht besonders wertvoll, weil Nahrungsdefizite in den Erzeugerländern und daraus resultierende Erkrankungen nicht allein als Folge einer niedrigkalorischen Kost, sondern auch als Proteinmangelerkrankungen einzustufen sind. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei solchen Aminosäuren gelten, die vom Menschen nicht oder nur in geringem Umfang synthetisiert werden können, die als essentiell eingestuft werden. In dieser Hinsicht gewinnt die Kaktusfeige auch hierzulande gesteigertes Interesse für deren Einsatz in Lebensmitteln mit Zusatznutzen. Ein interessanter Befund ist das Vorkommen von Taurin, einer für Pflanzen untypischen Substanz, die u.a. für die normale Entwicklung der Netzhaut des Auges verantwortlich und bei der Synthese von Gallensäuren für die Fettverdauung unverzichtbar ist.
Die Pigmente der Kaktusfeige sind als Betalaine bekannt, im Lebensmittelbereich jedoch unterrepräsentiert. Die Farbvielfalt von Opuntien (weißlich-grün, gelb, orange, rot, purpur) ist bislang wenig beachtet und ungenutzt geblieben. Durch ihre breite pH-Stabilität zwischen 4 und 7 eignen sich diese Pigmente als natürliche Lebensmittelfarbstoffe und können so synthetische Formulierungen ersetzen. Der Bedarf an solchen Quellen wird durch Erhebungen unterstrichen, nach denen der Weltmarkt an natürlichen Farben mit 939 Millionen US Dollar über dem der Synthetika mit 400 Millionen US Dollar liegt. Auch die Wachstumsraten liegen bei letzteren (3-5%) unter denen der natürlichen Produkte (5-10%).
Weitere Arbeiten sind zur ganzheitlichen Nutzung dieser und anderer Spezies aus der Familie der Cactaceae erforderlich. So werden die Mucilagene der Pulpa als komplexe Kohlenhydrate in Zusammenhang mit der Diabeteskontrolle diskutiert. Die Samen der Früchte von Opuntia liefern ein Öl mit hohen Anteilen an mono- und polyungesättigten Fettsäuren und sind damit ernährungsphysiologisch als sehr wertvoll einzustufen.
Im Bereich technologischer Arbeiten ist noch wesentliches zu leisten. So erfolgt die Schälung in den Erzeugerländern manuell oder mit heißer 18 % Natronlauge. Während erstere zu zeitintensiv ist, führt letztere zu erheblichen Fruchtschäden mit erheblichen Qualitätseinbußen.
Für eine Vermarktung der frischen Früchte, die einen höheren Marktpreis als die verarbeitete Ware erzielen, gilt es, entsprechende Transport- und Lagerkonzepte zu entwickeln. Diese Befunde zeigen den Bedarf einer intensiven Forschung im Bereich der Cactaceae, als Pflanzen, deren Anspruchslosigkeit eine Nutzung von Flächen erlaubt, die der Bewirtschaftung bisher versagt geblieben sind. Durch Kenntnisse im Bereich der ernährungsphysiologischen Bewertung von Inhaltsstoffen wie auch der Verarbeitung der Früchte, können die Anbauländer zusätzlich unterstützt werden.
Eiselen-Stiftung Ulm, 2000